Die türkische Architektur in der Zeit der Republik, die in bestimmte Epochen unterteilt wird, hat sich als natürliche Fortsetzung der osmanischen Architektur entwickelt. Vom Ende des Krieges bis zum Ende der 20'er Jahre standen die in den anatolischen Städten als Zweckbauten errichteten architektonischen Werke unter dem Einfluß der "Ersten Nationalen Architektur-Strömung". Die Bauten dieser Zeit, bei denen die Architekten Kemaleddin Bey und Vedat Tek Pionierarbeiten leisteten, waren von Elementen der seldschukischen und osmanischen Baukunst inspiriert. Man verwendete Stein und Kacheln und gestaltete die Aussenfronten mit großer Sorgfalt. Viele dieser Bauten sind inzwischen wieder abgerissen worden, die verbleibenden Objekte geben jedoch einen guten Einblick in die Besonderheiten des damaligen Stils. Nach 1930 begannen die Aktivitäten von ausländischen Architekten zunehmends an Gewicht zu gewinnen. Diese Architekten versuchten, dem Land die internationale Architektur zu vermitteln. Sie pflegten einen funktionellen Stil, befreiten die Außenfronten von Ornamenten und schufen statt dessen breite Fenster. Die Dächer waren vorzugsweise flach. Den ausländischen Architekten wurde ein umfangreiches Betätigungsfeld gegeben; auch waren sie als Lehrkräfte an Ausbildungseinrichtungen tätig. So verbreitete sich die von ihnen vermittelte moderne Auffassung auf die jüngere Generation, sodaß auch bald türkische Architekten Bauten in diesem Sinne errichteten.

Die "Zweite Nationale Architektur-Strömung", die 1940-1950 vorherrschend war, unterschied sich von der ersten Strömung hinsichtlich ihrer Formauffassung. Nun waren zivile Bauten der traditionellen türkischen Architektur das Vorbild. Bei den Verzierungen übernahm man typische Elemente wie Vorbauten mit überhängenden Dächern, Fenster mit Holzgittern u.a., und man beachtete vor allem Prinzipien der Harmonie und des Gleichgewichts zwischen den Bauelementen. Großen Wert wurde auf sauberes Arbeiten gelegt. Bei den Bautechniken und der Wahl des Materials zog man regionale Besonderheiten in Betracht und trug solchermaßen auch zur Entwicklung einer regionalen Bauindustrie bei. Zu den schönsten Beispielen dieses Stils zählen Werke von Sedat Hakkı Eldem, einem der wichtigsten Architekten seiner Epoche, wie z.B. das "Maçka Şark Kahvesi" (Orientalisches Kaffeehaus in Maçka) oder verschiedene Ufervillen am Bosporus. Emin Onat war zu dieser Zeit sowohl regional als auch international aktiv. Zusammen mit Orhan Arda gestaltete er das Mausoleum Atatürks in Ankara, das ein wichtiges Beispiel für die Gedenkstätten jener Zeit ist.

Der Einfluß dieser zweiten Architektur-Strömung verebbte mit Beginn der 50'er Jahre. Nun begann man, die Entwicklungen in der westlichen Architektur zu verfolgen. Diese bis in die 60'er Jahre andauernde Espoche war durch eine Synthese sowohl im Bereich der Ausbildung als auch in den Bereichen der Organisation, Planung und Baupraxis bestimmt. Man kann hier von einer Vorbereitungsperiode der zeitgenössischen türkischen Architektur sprechen. Die nun nachfolgende Periode, die in den 60'er Jahren begann, als man die wissenschaftlichen und ästhetischen Werte der Architektur in einer weiten Perspektive zu fassen versuchte, dauert bis heute an. Die hinterfragenden und nachforschenden Aspekte dieser Periode sind bemerkenswert. Den politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen in der Türkei entsprechend kann man nicht von einer einheitlichen Strömung sprechen; vielmehr sieht man eine Vielfalt von Unterströmungen. In der heutigen türkischen Architektur, die durch einen produktiven Pluralismus gekennzeichnet ist, wird vor allem nach einer Synthese zwischen regionalen und universalen Werten gesucht. Von irrationalen Formversuchen bis zu einem expressionistischen Realismus, von einer denkmälerischen Symbolik bis zu traditionellen Elementen, von arabesken Neigungen bishin zu postmodernen Strukturen kann man in der türkischen Architektur alles in verschiedenen individuellen Ausprägungen finden.