Die Regierung des Türkischen Parlaments hat mit dem nationalen Befreiungskrieg das Land von der Besetzung befreit und mit dem Abkommen von Lausanne die Welt dazu gebracht, die Existenz eines neuen türkischen Staates zu akzeptieren. Die Monate nach dem Abkommen von Lausanne vergingen mit der Vorbereitung neuer politischer Entscheidungen. Um hier Pionierarbeit zu leisten, wurde am 9. September 1923 die Republikanische Volkspartei gegründet. Den Vorsitz der Partei übernahm Mustafa Kemal. Das militärische Personal und die hochgestellten Bürokraten, die bereits den Befreiungskampf geleitet haben, nahmen einen Platz in der Führungsspitze dieser Partei ein. Die Partei sollte die nationale Bewegung im zivilen Bereich fortsetzen und verteidigte Ziele wie die Modernisierung des Landes oder die Errichtung von Institutionen nach dem westlichen System und auch die Durchsetzung eines westlichen Lebensstils. Dies aber hat die konservativen Kräfte im Parlament beunruhigt. So häuften sich die Auseinandersetzungen darüber, wie die Abschaffung des Sultanats zu bewerten sei und wer im Parlament mit welchen Vollmachten was tun werde. Es kam zu Widersprüchen zwischen der neuen Führung und den dem Kalifat zugeordneten Institutionen und ihren leitenden Kräften. Ein radikaler Wechsel schien unvermeidlich

Um dem Staat in einem modernen Sinne eine demokratische Form zu geben, wurde am 29. Oktober 1923 die Republik ausgerufen. Der erfolgreiche und große Kommandant der nationalen Bewegung, Mustafa Kemal, wurde einstimmig zum ersten Präsidenten der Republik Türkei gewählt. Dieser wiederum ernannte İsmet İnönü zum ersten Ministerpräsidenten. Somit fanden die Diskussionen über und Bedenken gegen die staatliche Führung ein Ende. Nach weiteren vier Monaten wurde das Kalifat als unvereinbar mit den Prinzipien der Republik aufgehoben und alle Mitglieder des Osmanischen Hauses des Landes verwiesen (3.März 1924)..

Mustafa Kemal, der sich dessen bewußt war, daß die Trennung von Religion und Staat in einer modernen Gesellschaft die Herstellung einer Religions- und Gewissensfreiheit für das Individuum bedeutete, hat die wichtigsten sozialen Veränderungen im Rahmen des Laizismus-Prinzips verwirklicht. Zusammen mit der Abschaffung des Kalifats hat er einige radikale Reformen durchgeführt, mit denen auch die vom Kalifat abhängigen Institutionen und die entsprechende Mentalität abgeschafft wurden. Das alte Ministerium für Scharia und Religiöse Stiftungen wurde abgeschafft. An seine Stelle trat ein Amt für Religionsangelegenheiten und eine Direktion für Stiftungen, die dem Minister-Präsidialamt zugeordnet waren. Mit dem Gesetz zur Einheit in der Erziehung wurde das System der konfessionellen Schulen abgeschafft und alle Schulen und Ausbildungseinrichtungen dem Erziehungsministerium unterstellt. Mit dem Gesetz zur Organisierung des Rechtswesens wurden anstelle der Scharia-Gerichte laizistische Gerichte eingerichtet. Mit dem "Hut-Gesetz" vom 25.November 1925 wurden Turban und Fez, Symbole des alten Systems, verboten; die offizielle Kopfbedeckung wurde der Hut. Somit wurden die traditionellen Symbole, mit denen Klassenzugehörigkeit, Rang oder Religion zum Ausdruck kamen, abgeschafft. Am 26.November 1925 wurden internationale Uhrzeit und internationaler Kalender übernommen. Am 30.November 1925 wurden Klöster aller Art geschlossen und die Ordens-Titel abgeschafft. Am 17.Februar 1926 wurden die Grundsteine des osmanischen Rechts, die klassische Gesetzessammlung "Mecelle" und die Scharia-Gesetzgebung abgeschafft und durch das türkische bürgerliche Gesetz ersetzt. Mit der Annahme dieses bürgerlichen Gesetzes mußten die gesamten Gesetze entsprechend dem Prinzip des Laizismus neu formuliert werden. Auch das Schuld-, Straf- und Handelsrecht wurde nach zeitgenössischen Prinzipien neu geregelt.

Bezüglich der Rechte der Frauen wurden wichtige Neuerungen eingeführt. Die Vielehe wurde verboten und die bürgerliche Ehe zur Pflicht. Ein Gesetz wurde erlassen, das eine gerichtliche Scheidung ermöglicht. Früher als in vielen europäischen Ländern konnten Frauen in die Stadtverwaltungen (1930), in die dörflichen Verwaltungen (1933) und in das Türkische Parlament (1934) gewählt werden bzw. verfügten sie über das betreffende Wahlrecht..

Einer der wichtigsten Schritte in der Modernisierung erfolgte auf dem Gebiet der Sprache. Seitens des Erziehungsministeriums wurde ein neues türkisches Alphabet erstellt. Das Gesetz, das die Einführung des lateinischen Alphabets vorsah, wurde am 1.November 1928 vom Türkischen Parlament verabschiedet. Mit dieser Maßnahme wurde ein wichtiger Schritt bei der Verringerung der Analphabetenrate, die bislang in der türkischen Gesellschaft sehr hoch war, erzielt.

Die alten Gewichte und Maße wurden 1931 geändert. Mit der Einführung von Meter und Kilo wurden die Transaktionen in Handel und Wirtschaft erleichtert und landesweit ein einheitlicher Standard eingeführt.

Am 21.Juni 1934 wurden mit einem neuen Gesetz die Familiennamen eingeführt. Mustafa Kemal, der Gründer des neuen türkischen Staates und der Republik, wurde vom Parlament der Name "Atatürk" verliehen; er war inzwischen der Vater aller Türken geworden.

Die Bemühungen, auf laizistischer Grundlage ein modernes Land zu errichten, zeigten sich auch in der Verfassung. Mit einer Verfassungsänderung wurde 1928 der Paragraph entfernt, wonach die Staatsreligion der Islam sei. Das Prinzip, wonach die Türkei ein laizistischer Staat sei, wurde 1937 in die Verfassung aufgenommen. Neben all diesen Entwicklungen gründete Atatürk 1925 die Gesellschaft für türkische Geschichte und 1932 die Türkische Sprachgesellschaft, um die nationalen Grundlagen des neuen Staates zu festigen und einen Beitrag bei der Entwicklung eines Nationalbewußtseins beim türkischen Volk zu leisten.

Der Unabhängigkeitskampf der Türken gegen die imperialistischen Staaten und die nachfolgenden tiefgreifenden Reformen Atatürks waren vor allem für die Länder der Dritten Welt ein wichtiges Vorbild.

Die Innen und Außenpolitik zur Zeit Atatürks Die Epoche İnönü und die schwierigen Kriegsjahre Der Übergang zum MehrparteiensystemDer Übergang zum Mehrparteiensystem Die Zeit nach dem Putsch vom 27.Mai Die ereignisreichen 60'er Jahre und die Periode der Gerechtigkeitspartei AP Die Zeit nach dem 12.März und der Wechsel in der Republikanischen Volkspartei CHP Die Zeit der Regierungen Ecevits und der Nationalen Front Das Regime vom 12.September Die erste und zweite Regierung Özal Wechsel bei ANAP und die Jahre der Koalitionen